psydog hat geschrieben:
Leider hab ich den Bericht nicht mehr. Vielleicht find ich ihn noch irgendwo!
So,hab ihn gefunden!
Bündner Tagblatt Mittwoch, 10. Juni 1998
War dies etwa ein Sonnentempler-Treffen?Tanzende Jugendliche,wilde Rinder und mysteriöse Gegenstände:
Eine illegale «Goa»-
Party im Bonaduzer Wald
hat Behörden und
Polizei auf Trab gehalten.
1.30 Uhr, Samstagnacht vor Muttertag,
mitten im Wald oberhalb
Bonaduz: Rund 70 Autos stehen
säuberlich parkiert (keines im
Parkverbot) neben der Strasse auf
einer grösseren Wiese. Die Nummernschilder
machen deutlich:
Die nächtlichen Besucher sind
keineswegs nur Einheimische,
sondern stammen auch aus der
Ostschweiz und dem benachbarten
Ausland. Brennende Kerzchen
markieren einen Weg, der
hinter Bäumen verschwindet.
Aus dieser Richtung klingt auch
Musik, der Boden vibriert. Wahrlich
mysteriös …
Polizei kam zu früh …
Das ungewöhnliche Treiben ist
auch den Behörden nicht entgangen.
Auf entsprechende Hinweise
machte sich Dorfpolizist Hans
Strub bereits um 18.30 Uhr auf,
sich die Sache genauer anzuschauen:
Etwa zehn Leute waren
damit beschäftigt, den Platz –
ohne Bewilligung – einzurichten.
«Ich machte ihnen klar, dass sie
‘abfahren’ müssen», berichtet
Strub, der sein Augenmerk besonders
auf Brandgefahr gerichtet
hatte. Die Jugendlichen aber
zeigten dem Beamten Feuerlöscher
und Wasser – diese Sorge
sei also unbegründet. Und: Keine
Rede von lauter Musik, grosser
Party und vielen Leuten … Welche
Überraschung, als gegen
22.00 Uhr beim Dorfpolizisten
das Telefon läutete: Lärmreklamation.
Strub kehrte an die Stelle
zurück, wo sich nun zu harten
Bassklängen allmählich ein grösseres
Fest anbahnte. «Sofort aufräumen
», hielt der verdutzte
Dorfpolizist die Leute an.
Sogar die Rinder wurden wild
«Das geht nicht», entgegneten
ihm diese aber. Denn dafür sei es
jetzt zu spät, es steige eine Geburtstagsparty,
und die Leute –
aus der ganzen Schweiz – seien
bereits unterwegs. «Was konnte
ich da alleine schon ausrichten?»,
so Strub. Als dann aber auch
noch – durch den Lärm völlig
wild geworden – 20 eingezäunte
Rinder durchbrannten, war der
Zapfen ab: Strub bot die Kantonspolizei
auf. «Schliesslich war
das illegal.» Mit der «Verstärkung
» wurde dem Fest – aber erst
um 7.30 Uhr – ein Ende gesetzt;
ein Polizist zog kurzerhand den
Stromstecker heraus.
Waren es Sonnentempler?
Gemäss Angaben der Polizei
soll das Fest von 200 Leuten besucht
worden sein. Die Organisatoren,
die von der Dimension der
Party selber überrascht worden
sind, sprechen sogar von 400.
Lange Zeit unklar blieb für
Behörden und Polizei offenbar
der Hintergrund dieser sogenannten
«Goa-Party».
«Sie waren von der Idee,
dass es sich um einen Sektentreff
handelt, fast nicht abzubringen»,
erklärt ein Mitorganisator, der
nicht namentlich genannt werden
möchte. Dabei soll sogar von
Sonnentemplern die Rede gewesen
sein. Zu Unrecht? «Nun, vielleicht
muten unsere Dekors etwas
phantasievoll an», bringt er ein
gewisses Verständnis auf.
Von solchen Verdächtigungen
will Gemeindepräsident Christian
Demarmels, der ebenfalls
eingeschaltet wurde, im nachhinein
aber nichts mehr wissen.
«Laut musizierende, ansonsten
aber friedliche Jugendliche»,
fasst Alois Hafner, Pressesprecher
der Kantonspolizei, zusammen:
«Ein bisschen Nachtruhestörung,
aber kein eigentlicher
Tatbestand.» Damit ist die rund
20köpfige Organisatorengruppe,
von denen zwei Leute auf den Polizeiposten
zitiert worden waren,
mit einem blauen Auge und einer
kräftigen Verwarnung («das
nächste Mal kommt die Polizei
früher») davongekommen.
Übrigens: Um 12.00 Uhr war
der Platz anstandslos aufgeräumt;
als ob gar nichts passiert
wäre …
Was ist eigentlich eine
«Goa-Party»?
Sogenannte «Goa-Parties» werden weltweit
organisiert, in Graubünden seit rund sechs Jahren.
Goa ist ein vom Techno abgeleiteter und
bedeutend melodiöser Musikstil, der seinen
«Ursprung» in Südindien hat. Entsprechend
wird bei Goa-Partys neben der eigentlichen
Musik insbesondere auch auf den besonderen
Rahmen geachtet: Während zu einer Diskothek
Scheinwerfer und Long-Drinks gehören,
sind dies bei einer Goa-Party unter anderem
Kerzchen, Lämpchen, Lichter, zum Teil auch
buddhistische Gegenstände, Räucherstäbchen
und ein obligater Teeausschank.
Während in anderen Teilen der Schweiz und
dem benachbarten Ausland Goa-Partys auch
unter Dach stattfinden, werden sie in Graubünden
vorwiegend im Freien abgehalten; einerseits
aus Platzmangel und andererseits der speziellen
Atmosphäre wegen. Eine eigentliche
Werbung für den Anlass gibt es nicht, vielmehr
gibt es Mund-zu-Mund-Reklame. Zudem werden
in den interessierten Musikkreisen Flyer
(kleine Werbezettel) herumgeboten.
Die Goa-Party, die in der Nacht auf Muttertag
in Bonaduz stattfand, war die erste Goa-
Party in diesem Jahr in Graubünden. Die Veranstalter
sehen unter anderem darin den Grund
für den überdurchschnittlichen Besucheraufmarsch.
Gemäss den Veranstaltern, die eigentlich
mehr eine lose Gruppe befreundeter Leute
im Alter zwischen 18 und 40 denn Organisatoren
im eigentlichen Sinn sind, sollen diesen
Sommer noch zwei bis drei weitere Goa-Partys
in Graubünden stattfinden. Wann und wo diese
durchgeführt werden sollen, konnten (oder
wollten) sie zum jetzigen Zeitpunkt aber noch
nicht bekanntgeben.
(Quelle, Bündner Tagblatt/Text Larissa Bieler,BT)
Keine Spuren hinterlassen: Auf dieser Wiese im Bonaduzer Wald (beim «Gregor-Täfeli») parkierten
die – für die Behörden – mysteriösen Goa-Party-Besucher. (Foto Larissa Bieler)