Buddha und Gott
Eines Morgens wurde der Buddha von einem Mann gefragt:"Buddha, es stimmt doch, daß es Gott gibt?" Der Buddha schaute dem Mann in die Augen und sagte: "Nein, es gibt keinen Gott!" - Einige Zeit später wurde der Buddha erneut gefragt:" Buddha, es stimmt doch, daß es keinen Gott gibt?" Und der Buddha sah auch diesem Mann in die Augen und antwortete:" Doch, es gibt einen Gott!" - Ananda, der dieses aufmerksam mit angehört hatte, war sehr verwirrt, doch es kam noch ein dritter Mann, der fragte den Buddha:"Buddha, ich weiß nicht was ich glauben soll, gibt es einen Gott oder nicht? Bitte hilf mir." - Gespannt lauschte Ananda, was der Buddha nun wohl antworten würde, wo er doch schon zwei ganz gegensätzliche Antworten auf die Frage nach Gott gegeben hatte. Der Buddha jedoch lud den Fragenden ein, neben ihm Platz zu nehmen, schloß die Augen, und sagte nichts. Die Einladung annehmend, nahm der Mann neben dem Buddha Platz und schloß ebenfalls seine Augen. Gemeinsam gaben sie sich schweigend dem Augenblicke hin; die Sonne war untergegangen, die Vögel hatten sich auf den Bäumen niedergelassen, schweigend genossen der Buddha und der Fragende eine Stunde lang die friedliche Ruhe des ausklingenden Tages. Dann öffnete der Mann seine Augen, berührte die Füße des Buddhas und sagte zu ihm:"Wie groß, Buddha, ist dein Mitegfühl! Du hast mir die Antwort gegebn, der ich bedurfte. Ich werde dir ewig dankbar sein." - Noch verwirrter als zuvor konnte sich Ananda nun nicht mehr zurückhalten und bat den Buddha um eine Erklärung. Der antwortete:"Der erste Mann war ein Theist und wollte nur eine Bestätigung dessen, wovon er sowieso überzeugt war, er bedurte keiner Antwort, mit der er nur prahlend herumlaufen kann, indem ich seine Überzeugung teile. Der zweite Mann war Atheist, in seiner Frage verbarg sich genauso schon die Antwort, die er lediglich von mir bestätigt haben wollte. Keiner der beiden war ein wirklich Wissender, keiner war ein Suchender, sie beide waren in ihrem Vorurteil gefangen. Der dritte Mann aber war ein Suchender, denn er hatte keine vorgefaßte Meinung, sein Herz war offen. Womit ich ihm helfen konnte, war eine Unterweisung in stiller Bewußtheit. Um nach Gott zu suchen, sind Worte volkommen nutzlos.
zum Thema Erleuchtung und den Weg finden ich auch das Buch Siddhartha von Hermann Hesse sehr aufschlussreich.
hier einen Auszug davon, wer das ganze Buch runterladen und geniessen möchte hier noch der komplette link:
Siddhartha im pdf Format
aus Siddhartha Kapitel GOTAMA
Sprach Siddhartha: "Gestern, o Erhabener, war es mir vergönnt, deine
wundersame Lehre zu hören. Zusammen mit meinem Freunde kam ich aus
der Ferne her, um die Lehre zu hören. Und nun wird mein Freund bei
den Deinen bleiben, zu dir hat er seine Zuflucht genommen. Ich aber
trete meine Pilgerschaft aufs neue an."
"Wie es dir beliebt", sprach der Ehrwürdige höflich.
"Allzu kühn ist meine Rede," fuhr Siddhartha fort, "aber ich möchte
den Erhabenen nicht verlassen, ohne ihm meine Gedanken in
Aufrichtigkeit mitgeteilt zu haben. Will mir der Ehrwürdige noch
einen Augenblick Gehör schenken?"
Schweigend nickte der Buddha Gewährung.
Sprach Siddhartha: "Eines, o Ehrwürdigster, habe ich an deiner Lehre
vor allem bewundert. Alles in deiner Lehre ist vollkommen klar, ist
bewiesen; als eine vollkommene, als eine nie und nirgends
unterbrochene Kette zeigst du die Welt als eine ewige Kette, gefügt
aus Ursachen und Wirkungen. Niemals ist dies so klar gesehen, nie so
unwiderleglich dargestellt worden; höher wahrlich muß jedem Brahmanen
das Herz im Leibe schlagen, wenn er, durch deine Lehre hindurch, die
Welt erblickt als vollkommenen Zusammenhang, lückenlos, klar wie ein
Kristall, nicht vom Zufall abhängig, nicht von Göttern abhängig. Ob
sie gut oder böse, ob das Leben in ihr Leid oder Freude sei, möge
dahingestellt bleiben, es mag vielleicht sein, daß dies nicht
wesentlich ist--aber die Einheit der Welt, der Zusammenhang alles
Geschehens, das Umschlossensein alles Großen und Kleinen vom selben
Strome, vom selben Gesetz der Ursachen, des Werdens und des Sterbens,
dies leuchtet hell aus deiner erhabenen Lehre, o Vollendeter. Nun
aber ist, deiner selben Lehre nach, diese Einheit und Folgerichtigkeit
aller Dinge dennoch an einer Stelle unterbrochen, durch eine kleine
Lücke strömt in diese Welt der Einheit etwas Fremdes, etwas Neues,
etwas, das vorher nicht war, und das nicht gezeigt und nicht bewiesen
werden kann: das ist deine Lehre von der Überwindung der Welt, von der
Erlösung. Mit dieser kleinen Lücke, mit dieser kleinen Durchbrechung
aber ist das ganze ewige und einheitliche Weltgesetz wieder zerbrochen
und aufgehoben. Mögest du mir verzeihen, wenn ich diesen Einwand
ausspreche."
Still hatte Gotama ihm zugehört, unbewegt. Mit seiner gütigen, mit
seiner höflichen und klaren Stimme sprach er nun, der Vollendete: "Du
hast die Lehre gehört, o Brahmanensohn, und wohl dir, daß du über sie
so tief nachgedacht hast. Du hast eine Lücke in ihr gefunden, einen
Fehler. Mögest du weiter darüber nachdenken. Laß dich aber warnen,
du Wißbegieriger, vor dem Dickicht der Meinungen und vor dem Streit um
Worte. Es ist an Meinungen nichts gelegen, sie mögen schön oder
häßlich, klug oder töricht sein, jeder kann ihnen anhängen oder sie
verwerfen. Die Lehre aber, die du von mir gehört hast, ist nicht eine
Meinung, und ihr Ziel ist nicht, die Welt für Wißbegierige zu erklären.
Ihr Ziel ist ein anderes; ihr Ziel ist Erlösung vom Leiden. Diese
ist es, welche Gotama lehrt, nichts anderes."
"Mögest du mir, o Erhabener, nicht zürnen", sagte der Jüngling.
"Nicht um Streit mit dir zu suchen, Streit um Worte, habe ich so zu
dir gesprochen. Du hast wahrlich recht, wenig ist an Meinungen
gelegen. Aber laß mich dies eine noch sagen: Nicht einen Augenblick
habe ich an dir gezweifelt. Ich habe nicht einen Augenblick
gezweifelt, daß du Buddha bist, daß du das Ziel erreicht hast, das
höchste, nach welchem so viel tausend Brahmanen und Brahmanensöhne
unterwegs sind. Du hast die Erlösung,vom Tode gefunden. Sie ist dir
geworden aus deinem eigenen Suchen, auf deinem eigenen Wege, durch
Gedanken, durch Versenkung, durch Erkenntnis, durch Erleuchtung.
Nicht ist sie dir geworden durch Lehre! Und--so ist mein Gedanke, o
Erhabener--keinem wird Erlösung zu teil durch Lehre! Keinem, o
Ehrwürdiger, wirst du in Worten und durch Lehre mitteilen und sagen
können, was dir geschehen ist in der Stunde deiner Erleuchtungt Vieles
enthält die Lehre des erleuchteten Buddha, viele lehrt sie,
rechtschaffen zu leben, Böses zu meiden. Eines aber enthält die so
klare, die so ehrwürdige Lehre nicht: sie enthält nicht das Geheimnis
dessen, was der Erhabene selbst erlebt hat, er allein unter den
Hunderttausenden. Dies ist es, was ich gedacht und erkannt habe, als
ich die Lehre hörte. Dies ist es, weswegen ich meine Wanderschaft
fortsetze--nicht um eine andere, eine bessere Lehre zu suchen, denn
ich weiß, es gibt keine, sondern um alle Lehren und alle Lehrer zu
verlassen und allein mein Ziel zu erreichen oder zu sterben. Oftmals
aber werde ich dieses Tages denken, o Erhabener, und dieser Stunde, da
meine Augen einen Heiligen sahen."
Die Augen des Buddha blickten still zu Boden, still in vollkommenem
Gleichmut strahlte sein unerforschliches Gesicht.
"Mögen deine Gedanken," sprach der Ehrwürdige langsam, "keine Irrtümer
sein! Mögest du ans Ziel kommen! Aber sage mir: Hast du die Schar
meiner Samanas gesehen, meiner vielen Brüder, welche ihre Zuflucht zur
Lehre genommen haben? Und glaubst du, fremder Samana, glaubst du, daß
es diesen allen besser wäre, die Lehre zu verlassen und in das Leben
der Welt und der Lüste zurückzukehren?"
"Fern ist ein solcher Gedanke von mir", rief Siddhartha. "Mögen sie
alle bei der Lehre bleiben, mögen sie ihr Ziel erreichen! Nicht steht
mir zu, über eines andern Leben zu urteilen. Einzig für mich, für
mich allein muß ich urteilen, muß ich wählen, muß ich ablehnen.
Erlösung vom Ich suchen wir Samanas, o Erhabener. Wäre ich nun einer
deiner Jünger, o Ehrwürdiger, so fürchte ich, es möchte mir geschehen,
daß nur scheinbar, nur trügerisch mein Ich zur Ruhe käme und erlöst
würde, daß es aber in Wahrheit weiterlebte und groß würde, denn ich
hätte dann die Lehre, hätte meine Nachfolge, hätte meine Liebe zu dir,
hätte die Gemeinschaft der Mönche zu meinem Ich gemacht!"
Mit halbem Lächeln, mit einer unerschütterten Helle und Freundlichkeit
sah Gotama dem Fremdling ins Auge und verabschiedete ihn mit einer
kaum sichtbaren Gebärde.
"Klug bist du, o Samana", sprach der Ehrwürdige.
"Klug weißt du zu reden, mein Freund. Hüte dich vor allzu großer
Klugheit!"
Hinweg wandelte der Buddha, und sein Blick und halbes Lächeln blieb
für immer in Siddharthas Gedächtnis eingegraben.