Schnee

Mysteriöse Erfahrungen, Weisheiten, Rätselhaftes.
piraña

Re: Schnee

Beitrag von piraña »

Elias hat geschrieben: Liebe muss man so fest wollen wie man Luft will
wenn man unter Wasser gedrückt wird!
als fisch hat man da noch chancen. wasser ist die lösung. nicht wasser, das keines ist.
Elias hat geschrieben:Es geht Wortwörtlich um Leben und tot.
in liebe sterben ist manchmal besser, als in angst zu leben. je nach grad der angst.
Elias hat geschrieben:Ich muss wissen was die Angst ist, um sie zu stellen,
deshalb muss ich sie auch Leben,
um zu lernen wie man sie richtig und an der quelle loslässt.
die quelle ist ein zweischneidiges schwert mit scharfen kanten.
Elias hat geschrieben:(Du vermittelst mir Ganze Gefühle!)
(Du mir auch.)
Elias hat geschrieben:Kann man da noch zurück?
sobald etwas ist, kann man nirgends im leben wirklich zurück. es bleibt ein teil von uns, der wie honig haftet.
Elias hat geschrieben:Ich fühle mich oft zwischen den Welten gefangen,
in keiner bin ich zuhause.
keine könnte wirklich ein zuhause bieten, wenn ich es nicht in mir selbst sein kann.
Elias hat geschrieben:Aber wen es mir schlecht geht,
wächst automatisch mein Wille nach Luft.
Wenns mit gut geht weiss ich was ich niemals mehr wollen kann.
der wille nach luft ist manchmal unfrei.
Elias hat geschrieben:Es geht so vielen gleich……
und manchen gleicher...

vielen dank, elias.
piraña

Re: Schnee

Beitrag von piraña »

Sie sass in einem dunklen Sessel, welcher sie in ihrer farbigen Montur deutlich hervorheben liess, ihren gespielt lieben Blick aufgesetzt. Der Zahn der Zeit liess sie nicht los, denn alles ach solange Verdrängte liess sie in dem Moment stark daran zweifeln, ob sie wirklich auf dem richtigen Weg war. Etwas in ihr brannte förmlich danach, dass sie es aus sich herauslassen musste, bevor sie einen schier unerbittlichen, inneren Druck verspürte, der ihr womöglich geschadet hätte. Der Raum, indem sie sich befand, stand in einem gläsernen Haus, das moderner nicht hätte sein können. Darin befanden sich einige Läden, eine Bibliothek, ein Uhrengeschäft für die oberen Zehntausend, sowie eben dieses seltsam anmutende Restaurant, welches anders war, als alle Anderen, in denen sie jemals zuvor zu Gast gewesen ist. Eine ihrer grössten Stärken war es, sich den anderen präsentieren zu können, als ob es nichts in ihrem Leben gegeben hätte, was sie erschüttert hätte. Ihr Gesicht wirkte so ermunternd, während sie verbarg, was sich in Wirklichkeit in ihr abspielte. Ihre linke Wange war ein wenig stärker ausgeprägt als die Rechte, was jedoch ihrer Schönheit auf keinen Fall in die Quere kam. Sie war wunderschön. Und das wusste sie zu genau. Es war diese Art, wie sie um sich strahlte, während sie sich im leuchtenden Schleier der Liebe wälzte, der sie in einem übernatürlichen Licht frei zu machen schien – ja, gar einen unsichtbaren Schutzmantel um ihre Seele legte. Menschen wie sie waren dazu bestimmt, ein langes und erfülltes Leben zu führen. Nicht so er. Er hatte nicht mehr so viel Zeit. Und dies war in der Tat genau das, was ihn in den seltenen Momenten, in denen er bei ihr war, so stark machte, und so munter, so offen. Er war in ihrer Nähe so erfüllt von einer Magie, die ihn vergessen liess, wer er wirklich war. Sie schaffte es, das Eis um sein Herz herum zum Schmelzen zu bringen, welches zu seinem eigenen Schutz da war. Und das machte sie trotz allem gefährlich. Gefährlich, weil er verwundbar wurde. Verwundbar auf eine Weise, auf die nur die Liebe in der Lage war, den Menschen verwundbar zu machen - falsche Liebe. Scheinbar tat sie es nicht absichtlich und dies war genau das, was er brauchte, um ihr nicht zu misstrauen. Oder war auch sie gegen ihn? Er musste auf jeden Fall vorsichtig sein. Wie ein Schaf mitten unter hungrigen Wölfen. Wie eine Seele, mitten unter Dienern des Satans.
In dieser Nacht würde sie einige Mal plaudern, weil sie in der Folge vergessen würde, dass sie nicht reden dürfte. Und sie redete. Zwar nicht klar und deutlich, doch sie redete, während er zu verstehen anfing, was da im Hintergrund lief. Er verstand, dass er auf hinterlistigste Art und Weise im Spiel eines teuflischen Gegners befand, aus dem er sich noch entreissen musste. Sie plauderte keine Einzelheiten heraus, doch er war inzwischen in der Lage, zwei und zwei zusammenzählen zu können. Nicht zuletzt, weil er keine andere Wahl hatte. Doch: Es gab immer einen Weg. Steve hatte sogar diesen Teil des Glaubens in ihm wieder geweckt, denn selbst in den ausweglosesten Situationen gab es Auswege. „Liebst du mich, weil ich es bin?“-dachte er, dabei in ihre Augen blickend, so tief wie nie zuvor. Etwas an ihrem Verhalten erschien im merkwürdig. Er konnte nur noch nicht entdecken, was es war. Noch nicht. Doch, er spürte, dass ihn diese Frau nicht wirklich lieben konnte. Soviel war ihm nach den unklaren Worten aus ihrem Mund klargeworden. Und dies tat weh. Er musste überlegen. Er musste eifach.
u.s.l.

Re: Schnee

Beitrag von u.s.l. »

*****


Er ging so unauffällig, wie es ihm nur möglich war. Seine Aufmerksamkeit hatte inzwischen ein für ihn unbegreifliches Ausmass angenommen – ja, selbst für ihn, obwohl er sich seit geraumer Zeit in einer Phase befand, in der mehr seiner Sinne aktiv waren, als die, die fast der gesamte Rest der Welt als erwiesen befand, und deshalb auch alle Anderen leugnete. Wie er dies anstellte, wusste er selbst nicht. Er wusste nur, dass er irgendwie eine Methode gefunden hatte, sich selbst kurzzeitig zu verlassen, um diese Sinne dazu zu nutzen, um sich aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Nicht nur einmal hatte ihm diese Gabe das Leben deutlich erleichtert, wenn nicht sogar gerettet. Er kam an einer Gruppe Jugendlicher vorbei, und bewahrte ausnahmsweise nicht den üblichen Sicherheitsabstand, den er in letzter Zeit strikt eingehalten hatte, sobald er sich in der freien Wildbahn...Nein, Gesellschaft ist das passende Wort, befand. Er wusste nicht, wie das Gesicht des Feindes aussehen mochte. Er wusste nur, dass es jeder Mensch sein konnte, der für etwas, woran er glaubte, für Andere Dinge tun würde, die er für sich selbst niemals getan hätte – wenn er nicht manipuliert gewesen wäre. Inzwischen hatte er das Netz erkannt, in dem er sich verfangen hatte, und es machte ihn nicht schwächer – im Gegenteil. Er hatte keine Angst, das ihm etwas zustossen konnte – denn dazu war er viel zu vorsichtig geworden. Nach ein Paar missglückten Versuchen seiner Feinde, ihn in die Enge zu treiben, musste er schliesslich einsehen, dass der Feind durchaus gross war. Und ganz viel Einfluss hatte er obendrein, denn zu viele hatte er als für den Feind arbeitend heraussortiert, und es waren sogar einige darunter, die ihm seit Jahren bekannt waren. Sogar als vermeintliche Kollegen und engere Bekannte. Er hatte inzwischen seine Ängste mehrheitlich überwunden, und eine der schwerst wiegenden darunter war die vor dem Tod. Doch war nicht sein Tod das Problem, sondern was er in der Folge nach sich ziehen würde. Sein Leben war nicht nur für ihn von einer Bedeutung, die er erst gerade zu begreifen schien. Und noch wusste er gar nicht, wohin das Alles führen würde – jedenfalls nur ansatzweise – doch dies schien ihn nicht zu beunruhigen. Er spürte, das er weiter machen musste. Um jeden Preis. Dies war ein Gefühl in ihm, dem er noch mehr traute, als allem- wie auch allen Anderen. Er nahm wie gewohnt einen Kaffee an der kleinen Imbissbude, direkt am Bahnhof. Er hatte schon einigen davon getrunken in seinem Leben, und nirgends sonst auf der Welt einen vergleichbaren kosten dürfen, was schön war und seltsam zugleich. Was war es, was ihn so speziell machte? Was war es, was „Ihn“ so speziell machte? Er musste weiter. Der Zug hatte leider nicht die Angewohnheit, auf ihn zu warten. Gewisse Dinge ändern sich nie.

Heute war einer dieser Tage an der Reihe. Er wusste, dass sich heute seine Befürchtungen bewahrheiten würden, denn so fest er auch dagegen ankämpfte, seine Intuition liess ihn nur ganz selten im Stich. Er wusste, was an diesem Abend geschehen würde, denn, sobald er jemanden wirklich liebte, entstand da eine Bindung, die nur ihn im Voraus erspüren liess, das etwas nicht stimmen konnte. In solchen Momenten meldete sich ein altbekannter Schmerz, irgendwo tief in seiner Brust. Und dieser bedeutete nie etwas Gutes, so sehr sein Kopf dies mit Gedanken zu überspielen versuchte. Es war wie Schicksal, dass er diese Eingebungen hatte, denn inzwischen wusste er, wie er damit umzugehen hatte. Seine Arbeit an diesem Tag war vollkommene Routine, bis auf die Tatsache, dass er sich nicht wie sonst kaum darauf konzentrieren konnte – heute konnte er es überhaupt nicht. Damit war zwar nicht viel getan, doch manchmal kann man durchaus für das Verständnis dankbar sein, die die anderen Mitarbeiter aufzubringen in der Lage waren. Sie kannten ebenfalls solche Tage, und wenn er sie ein bisschen besser unter die Lupe nahm, so hatten sie sie ständig. Als ein sms-Ton erklang, wusste er, dass es schon heute zu einem wichtigen Treffen kommen würde. Und er wusste, wie dieses Treffen verlaufen würde.

Sie sass da, als hätte sie einen Geist gesehen. In ihren dunkelbraunen Augen spiegelte sich keine Liebe, denn Liebe sah anders aus. Und strahlte anders. Er begrüsste sie kurz und oberflächlich, bevor er beim anscheinend schon ihn erwartenden Kellner ein Bier bestellte. Jetzt, wo er hier war, stellte sich das Ganze als noch viel schmerzhafter heraus, als ihm lieb war. Nicht, dass sie nur für die Gegenseite arbeitete – sie war ihr hilflos ausgeliefert. Wer sie befehligte, spielte nun keine Rolle mehr. Er sah in ihrem Gesicht so was wie Resignation, und konnte sie auch nach näherem Betrachten nicht erkennen. Als ob sie plötzlich ein völlig unbekanntes Wesen war, das seine Seele schon vor langer Zeit an irgendjemand (oder irgendetwas) verkauft hätte. Als ob sie nie mehr die sein würde, die er zu kennen glaubte. So wurde ihm nach ein Paar Worten ihrerseits auch klar, dass es in keiner Weise Sinn ergab, sich weiter mit ihr zu unterhalten. Dabei hätte er gerade ihr noch so viel erzählen wollen. Ihr zeigen. Ihr Vertrauen schenken.
Nichts davon hatte mehr eine Bedeutung, denn so sehr er sich auch gewünscht hätte, den Schmerz dieser Erkenntnis zuzulassen, er konnte es nicht. Nicht ausgerechnet jetzt, wo jeder ach so kleine Fehler nicht zu tolerieren wäre. Den Schmerz konnte er gut verdrängen, solange er sich bewusst war, das diese Frau, die etwas ganz Besonderes war, nun nicht länger diese Frau war.

Er musste weg. Weg von hier. Weg von ihr, und denen, die sie fest im Griff hatten. Was waren das für Wesen? Er wollte sich dieser Frage nicht an diesem Tag stellen. Vielleicht wollte er, doch es wäre reine Zeitver-schwendung gewesen, und Zeit war jetzt etwas, das knapper war denn jemals zuvor. Zumindest empfand er es so.
Zu hause angekommen wäre er gerne in Tränen ausgebrochen, denn sein Wille war fast gebrochen. Doch für Tränen war kein Platz. Und sie hätten diesmal die Situation auch nicht erträglicher gemacht, denn sie nutzten niemandem.
Einige Wochen zuvor hatte er einen Menschen aufgesucht, den er für eine geraume Zeit aus den Augen verloren hatte. Manchmal ist es von Vorteil, Menschen zu kennen, bei denen man einen Gefallen zugute hat. Und wenn diese Menschen sich inzwischen ein breites Netz aufgebaut haben, die über viel Geld und Macht verfügten, dann umso mehr. Es war ein komisches Gefühl, das ihn beschlich, als er dazu eingeladen wurde, zu sagen, was man für ihn tun konnte. Er mochte dies ganz und gar nicht. Er schaute lieber für sich, doch diesmal kam er nicht um die Erfahrung herum. Er sass dabei auf einem Stuhl, der – so meinte er zu wissen – sein monatliches Einkommen bei Weitem übersteigen musste. Das dunkle Braun war glattpoliert, so dass sich der ganze, grosse Raum mit sämtlichen Inhalt darin spiegelte, als ob eine Welt in einer Welt existieren würde. Der besagte Herr hatte inzwischen nicht viel gemein mit dem, den er noch aus Zeiten knapp nach der Schule in Erinnerung hatte. Er war jetzt besser gekleidet, und die Minibar verriet seinen guten, aber kostspieligen Whisky-Geschmack, von dem er gleichzeitig anbot. Er hatte ein unauffälliges, schwarzes Hemd an, das eher schlicht daherkam und vermutlich auch so wirken sollte. Die Schultern deuteten auf ein jahrelanges, intensives Krafttraining hin, obwohl es nicht übertriebenen Anschein machte. Vielleicht wegen diesem Hemd. Sein Blick verfing sich an den Schuhen. Hatte er zuvor jemals jemanden in seinem Leben solche Schuhe tragen sehen? Nein. Nicht in diesem Leben. Im Raum war niemand sonst anwesend, doch im Vorraum war ein Gorilla, der ihn am Treffpunkt kurz zuvor abgeholt hatte. Es gab vermutlich niemanden, der ihm gerne in der Dunkelheit auf offener Strasse begegnet wäre. Er schien sehr vielseitig und scharf denkend zu sein, was für Menschen, die seinen Job taten auch nicht weit hergeholt sein müsste. Zigarrenrauch liess seine Gedanken wieder in den Raum zurückkehren.

„Du siehst beschissen aus, Alter“. Der Ton des schwarz gekleideten Herren war bestimmt, jedoch gerade noch so, dass man einen gewissen humorvollen Ton daraus separieren konnte - wenn man ihn kannte.
„Danke, ich geb mir auch Mühe dabei“.
„Los – erzähl“. Diesmal liess der Ton etwas wie Hoffnung zu. Hoffnung, ein vor langer Zeit unausgesprochenes Versprechen doch noch einlösen zu können. Es liess ihn wieder an das Gute in den Menschen glauben, obwohl er sich noch nicht hundertprozentig in Sicherheit fühlte. Insofern es Diese überhaupt gab. Doch wenigstens hatte er nicht mehr nichts – er hatte noch jemanden, der es verstand, was Dankbarkeit heisst, und scheinbar nicht vergessen hatte, wie sehr die Ereignisse der damaligen Zeit einen Einfluss auf sein weiteres Leben hat-ten, als er von diesem unscheinbar wirkenden Mann gerettet wurde. Und die Rettung bedeutete Leben. Ein Leben, welches sich durchaus zu leben lohnte, wie seine erreichten Ziele und deren Folgen bestätigten. Und die funkelnden, blauen Augen seiner zwei Kinder, die ihn unentwegt an seine Ex-Frau erinnerten, die nicht mehr unter ihnen weilte. Er war auf seiner Seite – welch ein Glück!
Und so kam es, dass das Gespräch ganze vier Stunden in Anspruch nahm. Genau genommen war es ein einsei-tiges Gespräch, in Verbindung mit einem guten Zuhörer, der wusste, wie man mit gekonnten Blicken sein Ge-genüber ermutigen konnte, sich noch weiter zu öffnen. Und je länger die Stunde fortschritt, desto heller wur-de sein Gesicht. Und desto kleiner schienen ihm die Probleme zu sein, die er da aus der Welt zu schaffen hat-te. Er liess sich viel Zeit dabei, wenn er zwischendurch doch noch etwas sagte, denn wie anders konnte er messerscharf denken, ohne diese jahrelang geübte Ruhe, die er inzwischen erlernt hatte. Gab es irgendetwas auf dieser Welt, was diesen Mann aus der Ruhe bringen konnte? Vermutlich schon, jedoch sah man ihm dies wohl niemals an. Dazu war seine Körperhaltung in Verbindung mit seiner einzigartig nichts sagenden Mimik zu gut. Von dieser würde jedem Menschen eine Scheibe kaum schaden, und konnte nützlicher sein, als die Klar-sicht, welche seine Position erforderte. Manchmal verlieh Erfolg den Menschen zusätzlich eine Selbstsicher-heit, die für andere in den Bereich ihrer Träume fiel.
„Ich werde dir per Postboten Nachrichten zukommen lassen. Du lässt inzwischen alles so laufen, wie bisher. Niemand darf von unserem Treffen hier den Inhalt erfahren, und alles, was in diesem Raum ist, wird in diesem Raum bleiben. Wenn ein Kontakt unausweichlich wird, dann weisst du, an wen du dich wenden musst. Und...noch etwas...vielen Dank. Ich stehe in deiner Schuld.“

Er ging wieder, doch etwas hatte dieses Treffen hinterlassen. Ein wiederherstellen des Muts, der rar war in letzter Zeit. Er fühlte sich erleichtert. Und fühlte sich leicht. Und locker. Obwohl er noch lange nicht in Si-cherheit war, wusste er, dass sein Leben nicht sinnlos sein würde, und spürte einen Hauch von Etwas, dass er bis dahin nicht so kannte. Es war der Hauch der Gerechtigkeit. Und ein Hauch, der von Rache geprägt war. Er kannte dieses Gefühl höchstens aus Fernsehfilmen, doch gab es keinen Film, der die Realität wirklich 1:1 zu ersetzen in der Lage war. Was war aus ihm geworden? Eine Träne machte sich daran, seine linke Wange zu befeuchten. Er verschwand in den Massen der anderen Individuen, die scheinbar alle irgendwohin hasteten.



Ganze drei Jahrmillionen waren inzwischen seit der Geburt vergangen. Die ersten Wesen waren viel primiti-ver, als alles andere, was die Welt zuvor ausmachte. Ausserdem waren sie so klein, dass man gar nicht auf Leben getippt hätte, selbst wenn man sich eines Mikroskopen bedient hätte. Es regte sich kaum etwas in ih-nen, und der Prozess der Evolution hatte niemals wieder einen so langsam fortschreitenden Status erreicht, in dem Milliarden solcher Wesen dazu verschwendet wurden, um sich soweit in sich zurückzubilden, um sich überhaupt vom Wasser zu trennen. Die Sekunden vergingen, und somit auch sie, was zur Folge hatte, dass sie einfach waren, ohne dies überhaupt zu bemerken. Doch von der Hand könnte man sie nicht weisen, denn sie waren so Real, wie wir nun. Und hätten sie so was wie Gefühle gehabt, so wären diese rasch als bedrohlich für ihre Leben gewesen, denn Fühlen würde erst viel, viel später zu den unabdingbaren Eigenschaften gehören, die die Grenzen setzen würden zwischen uns und Ihrerlei. Sie waren ausserdem nicht in der Lage, sich aus eigenem Antrieb fort zu bewegen, weil ihr Innenleben dies gar nicht erst zuliess. Dem zufolge waren sie voll-kommen auf ihre Umgebung angewiesen. Oder besser gesagt; ihr ausgeliefert. Manchmal wurden sie in Tiefen gespült, die sie verenden liessen, und manchmal trieben ganze Kollonien von ihnen in den Strömen der Ozea-ne etwas Richtung oben, und fanden so die letzte Ruhe. Die Zeit, in der sie da waren, könnte man nicht mit unseren Zeitvorstellungen verstehen, denn jedes einzelne von ihnen lebte kaum mehr als ein paar Sekunden. Doch konnte ihnen das auch nichts ausmachen, denn sie wussten weder was Leben ist, noch Tod. Sie wussten nicht was gut war, und was nicht. Woher hätten sie dies auch wissen sollen?




Er kam an den Platz, wo alles seinen Lauf nahm vor nicht weniger als dreizehn Jahren. In ihm schlummerte etwas, was er immer dann mehr oder minder spürte, sobald er sich diesem mystischen Ort näherte. Er kam sogar fast täglich hier vorbei, so als täte ihm ein Teil von ihm fehlen, wenn er es nicht tat. Es war einer dieser Plätze, an dem die Energien sich bündelten, und jeden, der feinfühlig und offen dafür war, in eine Art schwe-bende Trance versetzten. Weshalb hatte damals die Liebe seines Lebens ausgerechnet diesen Platz ausge-sucht? Er besinnte sich wieder und kam zum Schluss, dass es nicht ein Zufall sein konnte. Jedoch spürte er auch, dass es sich hierbei um mehr als nur Schicksal handelte. Die Bedeutung diesen Ortes war ihm mit der Zeit bewusst geworden, denn hier spielte sich ein Grossteil dessen ab, was ihm die Kraft verlieh, seinen Weg zu gehen. Es war ein Ort, an dem sich vermutlich all seine Schutzengel versammelten, um zu sehen, ob ihr Tun noch Wirkung zeigte. Und sie waren Zahlreich. Vermutlich zahlreicher, als bei den meisten seiner Mit-menschen. Wie sonst hätte er sich die Ereignisse erklären können, als durch eine unsichtbare, höhere Macht, die ihn davor bewahrte, weder verrückt zu werden, noch seinem Ableben klein beizugeben? Er konnte es nicht. Und wenn er es nicht konnte, wer dann?
Jedenfalls wusste er, dass dieser Ort eine Magie an sich hatte, die nicht nur ihn in seinen Bann zog, sondern auch noch zahlreiche Erdenbürger aus allen Teilen der Welt. Er tankte etwas Kraft, denn er hatte in dem Ge-spräch eine Grenze überquert, nach der er nicht mehr alleine in der Hand hatte, was noch alles geschehen könnte. Und würde. Er liess sich seine Liste durch den Kopf gehen, doch etwas erschreckte ihn an dieser. Auf ihr standen Namen von Menschen. Menschen, die er liebte, so wie sie ihn nie lieben werden können. Vermut-lich wäre er in diesem Moment zusammengebrochen, doch dazu war nicht der Zeitpunkt. Dazu würde nie wie-der der Zeitpunkt sein. Noch etwas liess ihn nicht los: Die verblüffende Länge der Liste in seinem Kopf. Wie konnte diese nur so lang werden? Und seit wann war sie so lang? Und was würde mit der echten Liste passie-ren, die sich nun in den Händen – vermutlich eher im Tresor – des in schwarz gekleideten Mannes befand. Er wollte nicht mehr daran denken. Er musste seine Gedanken abschalten, und so nahm nach dem ersten Bier wieder alles seinen gewohnten Lauf.

Der Kalender, der die gegenüberliegende Wand an seinem Arbeitsplatz schmückte, zeigte auf den dreizehnten Oktober. Beim Versuch sich zu vergewissern, ob er auch richtig erkannte, ob dies stimmen konnte, nahm er vorsichtshalber sein Handy aus der Hosentasche. Dieses Ding war nicht totzukriegen. Er hatte inzwischen eine ganze Sammlung von neueren Modellen verschiedenster Weltkonzerne zu hause rumliegen, doch dieses hier war besonders. Es hielt weitaus mehr aus, als die Anderen. Ausserdem waren darauf Fotos von ein Paar Men-schen, die er liebte. Für immer lieben würde, unabhängig davon, was weiter mit ihnen oder ihm geschehen möge. Dann, so nach ein paar ungläubigen Blicken, schien er vergessen zu haben, was er gerade vorhatte. Gestern Morgen noch hatte er eine unverhoffte Begegnung mit einer Person, die ihm bewusst gewisse Infor-mationen zukommen liess, deren Wichtigkeit ihn dahinschmetterte. Er fand in der Nacht zuvor keinen Schlaf. Doch dies war nicht länger verwunderlich, wenn man die Situation betrachtete, in welcher er war. Er versuch-te so gut es ihm gelang einige Knoten zu entwirren, die ihn in der Vergangenheit kalt liessen, und die nun auf unerklärliche Weise plötzlich in neuem Licht erschienen. Er war der Person durchaus dankbar für das ihm Zu-getragene. Und dennoch wusste er, dass sich die Person selbst in grosse Gefahr begeben hatte, als sie die Worte aus ihrem Mund fliessen liess. Niemand hatte sie dabei beobachtet. Wenigstens klammerte er sich an diese Hoffnung, denn er konnte sich nicht ausmalen, was geschehen würde, wenn dem nicht so sei. Er sah durchaus auch andere Menschen an diesem Wochenende, doch erschienen ihm die Begegnungen derart absurd, dass er sich nicht weiter damit belasten wollte. Es war an der Zeit aufzuwachen. Die Zeiten, in denen er sei-nen Frieden und die Freiheit genoss waren spätestens seit diesem Sommer vorbei. Ehrlich gesagt, die waren schon drei Sommer zuvor vorbei gewesen, doch er schaffte es immer wieder, sich selbst einzureden, das dem so nicht war.





?
****


In dieser Nacht schien der Mond so hell, wie er es nicht schon lange nicht mehr erlebt hatte. Er verwandelte die Umgebung – eine abgeschiedene Hügellandschaft im berner Oberland – in eine zauberhafte Kulisse. Überall schienen die Bäume sich in Skulpturen zu verwandeln, die geradezu gespenstischen Eindruck vermittelten, und er erinnerte sich an eine längst vergangene Zeit, in der er noch als kleiner Junge etwas ähnliches erlebte. Dies erfüllte ihn mit neuer Zuversicht, obwohl er schon seit einiger Zeit seine Mitte gefunden zu haben schien, die so unentbehrlich war wie Wasser in der Wüste. Sein Begleiter war wieder einmal jemand von Steves Männern, von denen er nie etwas persönliches in Erfahrung bringen konnte – bis auf die Namen, welche er aus unerklärlichen Gründen stets nach kurzer Zeit vergas, so sehr er sich auch darum bemühte, sich diese zu merken. Wer konnte schon wissen, ob man diese eines Tages noch – wofür auch immer – brauchen würde?

Sie waren da. Nach einer halbstündigen Nachtwanderung im scheinbaren Nirgendwo war er froh, ein paar Häuser zu sehen. Deren waren drei aus Holz mit Ziegeldächern, und eine stand ein wenig abseits, etwa vierzig Meter auf einer Erhebung, so als sei es absichtlich als Aussichtsturm gebaut worden. Der Duft von altem Stroh erfüllte den Eingang des Hauses, und im Eingangsbereich standen unzählige, fast geleerte Flaschen mit alkoholischem Inhalt, wohin er auch blickte. Ein äterer Mann begrüsste die beiden Besucher und bat sie freundlich, sie sollen in den Küchenbereich eintreten. Genau genommen war die Küche ein teil eines grösseren Raumes, der unter Umständen gut und gerne fünfzehn Menschen schlafend beherbergen konnte, weil sich ein Sofa ans andere lehnte. Bei diesem Gedanken konnte er nicht anders, als daran zu denken, das sich Menschen an andere Menschen lehnten. Manchmal kann es passieren, das jemand in Schwierigkeiten geriet, aus denen er selbst keinen Ausweg fand. Dann wurden seine Gedanken wieder verdrängt – eher auf die Seite gestellt, denn der ältere Mann fing an zu reden, sobald sich die Drei gesetzt hatten.
„Was kann ich für Euch tun?“
Die beiden Besucher schauten einander fragend an, worauf der ältere Mann etwas wortlos zu verstehen schien, was ihm selbst nicht in den Sinn gekommen wäre. Er nickte dem Begleiter bejahend zu, und dieser erhob sich sogleich, als hätte er einen Befehl erhalten den Raum zu verlassen. Er hatte seine Arbeit getan und konnte Feierabend machen. Er schien weder froh, noch erbost darüber zu sein. Allgemein hatten Steves Leute nie den Anschein gemacht, als würden sie etwas durch ihr Reden, ihre Gestik und Mimik verraten. Stets ruhig, als hätten sie jederzeit Alles im Griff, jedoch bereit, im Fall der Fälle einzugreifen, als sei es selbstverständlich. Er gab ihm die Hand, und sagte zum älteren Mann, er würde morgen wiederkommen. Die Tür knirschte, als er diese langsam zuzog, und in die Nacht tauchte.
Er wurde etwas nervös, weil er nicht wusste, was der alte Mann weiss. Er war sozusagen am Arsch der Welt, wobei ihm in den Sinn kam, das er den Weg zurück bei Tageslicht gefunden hätte. Im Dachgeschoss schienen Schritte zu ertönen, was auf ein hohes Alter der Holzbretter zurückzuführen schien. Er fing an zu reden. Nicht die ganze Geschichte, nein, nur das nötigste. Aber dies mit einer Offenheit, die ihn selbst zu überraschen schien. Es war, als würde er diesen alten Mann seit Ewigkeiten kennen, als würde er sich fallen lassen, wie es erwachsene nur selten wirklich in der Lage sind. Der alte Mann liess ihn reden, und schenkte zwischendurch Wasser in die Gläser ein, aus einer dreieckigen Flasche mit breitem Hals, in der sich drei violett schimmernde Steine am Boden befanden.


In der vergessenen Welt machten sich die Kolonien der unidentifizierten Lebewesen dazu auf, die gesamte Wasserwelt zu erobern. Es wimmelte nur so vor ihnen, und man würde es nicht für möglich halten, aber sie waren tatsächlich schon eine halbe Milliarde Jahre alt. Einige unter ihnen haben es durch die kraft der in manchen Monaten wärmende Sonne ihre Lebenserwartung zu vervielfachen. Als seien sie Heerscharen von weissen Blutkörperchen, die gegen eine Krankheit ankämpften, und siegessicher unerschrocken weiteren Erfolgen nacheifern würden. Da passierte wieder etwas, was ihr Leben ermöglicht hatte. Ein Meteorit mit einem hohen Siliziumgehalt schlug auf die Erdoberfläche ein, deren Durchmesser mehrere Fussballfelder fasste, und zwar in jede Richtung. Die verheerenden Ausmasse übertrafen Alles, was sich bis dahin auf der Erde ereignet hatte, und die freigesetzten Energien waren vergleichbar mit denen, die sich bei der Geburt der Erde zugetragen haben müssten. Die Welt ging in Flammen auf, und der Himmel verdunkelte sich zu einem schlammigen, dicken Brei, der für lange Zeit keinen einzigen Sonnenstrahl mehr durchlassen würde. Die unidentifizierten Lebewesen wurden in ein paar Monaten dahingerafft, bis nur vereinzelte – nein; nicht die stärksten – sondern die glücklichsten von ihnen überlebten. Glück würde fortan genauso viel wiegen, wie Schicksal und Zufall, ohne die es sie gar nicht gegeben hätte.



Nach drei Stunden Erzählen war er sichtlich ermüdet, was ihn jedoch nicht dazu bewegte, seine Müdigkeit mitzuteilen. Der alte Mann sah auf die Holzuhr an der Wand hinter ihm, und sagte mit väterlichen Worten, es sei an der Zeit, sich aufs Ohr zu hauen. Er führte ihn hinaus zu der Holztreppe, die seitlich der Haustür in den Estrich führte. Oben angekommen machte der alte Mann sich daran, ihm die Leute vorzustellen, die in einer Runde sassen, als würden sie auf etwas warten. Als er diese Runde sah, da wurde ihm bewusst, dass er einige der acht Personen kannte – einige sogar nicht bloss vom Sehen. Er begrüsste sie Einen nach dem Anderen, und blieb bei einer Frau stehen, die er seit nunmehr zehn Jahren nicht mehr gesehen hatte. Ihr Gesicht schien vor Lebenskraft nur so zu strotzen, und nichts, rein gar nichts hätte darauf hingedeutet, dass sie seither älter geworden wäre, abgesehen von ihrem nun ernsteren Gesichtsausdruck vielleicht. An den Seiten des Holzraumes mit Schrägdachbalken hingen Traumfänger. Nebst den einfacheren stachen ein paar Konstruktionen heraus, welche er zuvor nie gesehen hatte. Die Fäden wanden sich kunstvoll in einander, und in den zwei grösseren Kreisen existierten wiederum kleinere, welche in sich wieder zwei kleine beherbergten, als gehörten alle zu einer Familie, deren Mitglieder aufeinander angewiesen waren, und einander stärkten. Er setzte sich etwas seitlich der Frau, die ein Lächeln auf den Lippen hatte, welches kaum Wahrnehmbar war. Dann ergriff einer der jüngeren Männer in der Runde das Wort:
„Willkommen!“ Die Anwesenden wiederholten das Wort, nur der älteste unter ihnen nicht. Der machte sich wieder auf den Weg nach unten, ohne auch ein einziges Wort zu sagen. Dann sassen sie noch etwas länger als eine halbe Stunde da, wobei mehr geschwiegen, als geredet wurde. In ihm machte sich ein Gefühl breit, als hätte er nach langer Zeit seine Seelenfamilie gefunden. Als sei er eins mit diesen Menschen, die man am trefflichsten mit Aussteiger betiteln könnte.

In den frühen Morgenstunden legten sie sich hin. Einer schraubte die Flamme der Gaslampe runter, wonach sie nur noch einen Bruchteil des Lichts von sich gab. Müde, aber mit einem Gefühl von Sicherheit schlief er ein. Als er die Augen wieder aufmachte, hatte er das Gefühl, er hätte in der Natur übernachtet, was vermutlich an der Strohunterlage der Decken lag. Er hatte Träume – nein; eher Visionen in dieser Nacht, die klarer nicht hätten sein können. Es nahm eine geraume Zeit in Anspruch, bis er es realisierte das er wach war. Die Anderen schliefen noch, und er beschloss dem Drang zu widerstehen, aufzustehen, und nach einem Klo zu suchen. Vermutlich war sein übertriebener Anstand die Ursache hierfür, oder hatte er niemanden wecken wollen? Stattdessen hörte er die Vögel singen, was ihn daran erinnerte, dass die Zeit des Schnees sogar hier oben für eine Weile vorüber war, während er versuchte, seine Träume zu deuten, oder zumindest in eine sinnvollere Reihenfolge zu sortieren. Einer davon war kurz und nicht sonderlich spannend. Ausserdem hatte er solche Träume des öfteren, denn es war einer von denen, in denen er in der Lage war zu Fliegen. Das Gefühl, gleichzeitig frei zu sein, und dennoch in ständiger Vorsicht, nicht zu fallen, war einzigartig. Da sich solche Träume wiederholten, entwickelte er auch seine Flugtechnik darin weiter, und war mittlerweile in der Lage, längere Distanzen in der Luft zu verbringen. Er war stets belustigt, wenn er ausserhalb solcher Träume daran dachte, wie er da so mit seinen Händen seitwärts des Körpers herumfuchtelte, bis er die richtige Geschwindigkeit erreichte, um abzuheben. Doch in seinen Träumen konnte er es. Und er kannte diese unerschütterliche Überzeugung, welche ihn während solcher Flüge durchströmte, auch in seinem richtigen Leben. Es war, als würde er etwas machen, was er durch lange Übung auch im Schlaf hätte tun können, ohne daran zu denken, das er etwas machte. Vermutlich war diese Überzeugung genau das, was den Menschen fehlte, um wirklich fliegen zu können. Oder Dinge zu tun, bei denen ihr Gehirn auf die Barrikaden ging. „Nein – das kannst Du nicht! Und lass es sein, weil das schaffst du ehe nicht!“ - würde sich das vermutlich anhören, wenn er bloss ein Gehirn gehabt hätte, welches hätte reden können. Gab es nicht Menschen, die etwas konnten, was Andere nicht so gut konnten? Ist nicht jeder Mensch zum Teil auch auf dieser Welt, um herauszufinden, was ihm lag? Was er gut konnte? Wofür es keinen Aufwand gab, der zu gross gewesen wäre?
Jemand wurde wach, und kaum waren die ersten Worte gewechselt, wachten auch die Anderen auf.
Einer von ihnen hatte für einen Mann erstaunlich langes, schwarzes Haar, welches er seitlich zu einem Knoten gebunden hatte. Er war vielleicht 35, vielleicht auch etwas älter, und fiel durch seine Ruhe auf. Wenn er sich bewegte, so waren seine Bewegungen sehr langsam, als sei er eine Katze, die möglichst keine Energie verschwenden wollte, um genug für die Jagd übrig zu haben. Um seine Augen herum hatten sich Falten gebildet, deren Tiefe auf ein anstrengendes Leben hindeutete, oder auch vom vielen Denken herrührte. Sein Rang in der Gruppe war nach so kurzem Zusammensein nicht eindeutig bestimmbar, obwohl etwas an ihm einen bleibenderen Eindruck hinterliess, unterstützt durch sein Charisma. Dieses wäre auch unter tausend Menschen ins Auge gestochen, denn er hatte ein Gesicht, welches wohl vor niemandem einen Deut Angst zugelassen hätte – nicht einmal dann, wenn es um Leben und Tot ginge. Etwas an ihm hinterliess jedoch auch den Eindruck, ihm nicht auf Anhieb vertrauen zu sollen.
Ständig verschwand jemand aus der Gruppe nach draussen, um nach kurzer Zeit wieder seinen Sitzplatz einzunehmen. Dann wurde ihm gedeutet, er solle mitkommen. Die Frau, die er am Vorabend erkannt hatte, und neben der er Platz genommen hatte, hiess Erika. Und sie wusste anscheinend gut über ihn Bescheid, obwohl er sich nicht so recht erklären konnte, woher. Sie zeigte ihm kurz die Umgebung, wo was im Haus zu finden war – O.K. ; es war eher eine Scheune, für seine Verhältnisse – und zeigte ihm, was er nach dem sich Waschen anziehen soll. Er sah sich noch eine Weile um, und befand schliesslich, dies eventuell später zu tun, weil er nicht wusste, was ihm noch bevorstand. Schliesslich wollte er vermeiden, dass die Anderen auf ihn warten müssten. Die Kleider, die sie ihm hingestellt hatte, waren zwar zwei Nummern zu gross, doch er fühlte sich schnell wohl in ihnen, denn sie waren weitaus bequemer als das, woran er sonst gewohnt war. Er sah aus wie ein zurechtgemachter Kartoffelsack, verdrängte jedoch die Gedanken, dass er womöglich ausgelacht würde. War ja nicht gerade so, dass er als Kartoffelsack nicht in die Gruppe passte – eher das Gegenteil. Ihm fiel zum ersten Mal auf, in welch eine idyllische Gegend ihn das Leben diesmal getrieben hatte. Eine einsame Wiese unterhalb der drei Häuschen, seitlich umgeben von einem immer dichter werdenden Wald, so als hätte die Natur sie umzingelt. Das gefiel ihm.
Als er zurück war, waren die Anderen schon ziemlich vertieft in eine Art meditatives Schweigen, wobei nur zwei von ihnen die Augen offen hielten. Er setzte sich hin, und versuchte mitzumachen, obwohl er etwas in dieser Art schon seit Jahren nicht mehr getan hatte. Er war innerlich aufgekratzt, und versuchte sich auf seinen Atem zu konzentrieren, bis er diesen so weit verlangsamte, dass er einzuschlafen drohte.
u.s.l.

Re: Schnee

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„Wie kommst Du zu diesem Buch?“ – fragte der Mann mit dem schwarzen Haar. „Tja, das wüsste ich auch gerne. Es kam einfach per Post. Es stand weder ein Absender drauf, noch ein Zettel, oder etwas in der Art. Lange Zeit habe ich überlegt, ob ich es nicht bei einem Antiquitätenhändler vorbeibringen sollte – vielleicht hätte es einen Wert gehabt. Nach einiger Zeit schien mich das Buch magisch anzuziehen. Zu gerne hätte ich gewusst, was es in sich verbarg. Welch Geheimnis, oder welch Unsinn sich darin tummelte. Von wem es geschrieben war und zu welcher Zeit.“ – antwortete er. Er war sichtlich erleichtert, dass sich die Anwesenden zu interessieren schienen. Ebenfalls, das nach langer Zeit endlich jemand da war, dem er darüber berichten konnte, ohne die Angst, um sein Leben fürchten zu müssen. Und doch verliess ihn das Gefühl niemals, dass ihm niemand helfen konnte. Nein – davon war er überzeugt. Er fuhr fort: „Nachdem es uns gelungen war, ein paar Seiten vollständig ins Deutsche zu übersetzen, dachten wir, es würde sich um ein Kochbuch handeln. Lauter Pflanzennamen und verschiedene Mischungen, die glatt als Teerezepte hätten durchgehen können – wären da nicht ein paar Kräuter oder ungewöhnliche Zutaten dabeigewesen, die vermutlich scheusslich geschmeckt hätten – jedenfalls in diesen Zusammensetzungen. Mit der Zeit versuchte ich ein paar von den Dingen aufzutreiben. Eines Abends dann – es dürfte Mai gewesen sein – startete ich den Versuch. Ich war damals nervös. Was, wenn etwas schiefgehen würde? O.K., die Notrufnummer war ebenso einfach zu tippen, wie die Entfernung zum Telefon zu überwinden. Ich mischte die Sachen, dabei auch ein paar exotische, getrocknete Rinden und Früchte. Gab ein paar Tropfen Olivenöl dazu, liess es köcheln, so wie es da stand. Doch als ich dann die letzte Zutat hineintat, begann die Suppe zu reagieren. Erst bildeten sich ein Paar Bläschen, die langsam aus dem Unteren des Messbechers stiegen, dann grösser wurden und eine komische, grünliche Farbe annahmen. Wenn ich ehrlich sein soll – ich kam ganz schön ins Schwitzen. Nach etwas mehr als drei Minuten begann das Ganze auf der Oberfläche eine zähflüssige Schicht zu bilden. Ich nahm einen Esslöffel, um zu sehen, was passieren würde, wenn ich mal diese Schicht bei Seite schiebe. Dann stieg ein grässlicher Gestank in die Luft und ich hörte auf. Ein kaum fingerbreites Loch war da und schien sich zu bewegen. Als würde es atmen. Als würde es leben. Ich bekam es mit der Angst. Die ganze Küche stank nach dem Zeug und wäre die Tür nicht weit offen gestanden, hätte ich sie schnell aufgerissen. Ich beschloss, das Zeug wegzuleeren, weil ich keine Vorstellung davon hatte, was mich sonst erwartet. Es sah giftig aus. Furchtbar giftig. Ich liess kaltes Wasser darüber fliessen, doch die zähe Masse wollte nicht den Abfluss hinunter. Draussen rief eine Nachbarin, die gleich darüber wohnte, ob alles in Ordnung sei. Gleichzeitig schien dieses Zeug den Abfluss wieder hochzukommen und sah aus wie erbrochenes, wenn man zu viel Tequilla erwischt hatte. Ich war nicht länger nervös – ich hatte Panik. Dann hörte ich meine Stimme sagen: „Ja! Alles in Ordnung…Mir ist bloss etwas angebrannt.“ Im Raum, in dem sie sich befanden, herrschte Totenstille. „ Ich konnte nicht mehr genau hören, was sie sagte, denn ihre Stimme kam mir weit weg vor. Als würde sie einer anderen Dimension entspringen. Dann ging ich ein paar Schritte zurück zum Flur. Ich beobachtete noch ein wenig das Geschehen. Kurz danach war der Spuk vorbei. Ich konnte die ganze Nacht kein Auge zudrücken. Als ich am nächsten Tag zur Arbeit ging, kam es mir so vor, als würden mich alle anstarren. Die Verkäuferin in der Bäckerei war nicht so, wie gewohnt. Etwas war mit ihrer Stimme anders. Sie redete, als würde sie eine Hälfte sagen – die andere denken. Bloss schien mir, als würde der unausgesprochene Teil unserer sonst so banalen Konversation klarer bei mir ankommen, als das, was sie wirklich gesagt hatte. Auf der Strasse in Richtung See kam ich an einer Mutter vorbei, die einen Kinderwagen vor sich herschob. Ein etwa vierjähriges Mädchen stand etwas abseits und blickte auf einige Tauben, die von einer älteren Frau – welche einen ziemlich abwesenden Eindruck hinterliess – gefüttert wurden. Ich hörte die Frau reden. Nur, dass sie ihre Lippen nicht bewegte. Dann entfernte ich mich etwas von dem Geschehen, weil mir sichtlich unangenehm war, was ich da erlebte. Der Gedanke, dass das Mädchen womöglich zu alt war, um noch im Kinderwagen herumgefahren zu werden, war in diesem Moment genau die richtige Ablenkung. Doch dann wurde mir klar, dass ich die Gedanken der Mutter umso deutlicher wahrzunehmen schien, je weiter ich mich von ihr entfernte. Dazu musste ich nichts weiter tun, als mich nicht darauf zu konzentrieren. Als mich auf überhaupt nichts zu konzentrieren. Die folgenden Tage waren unbeschreiblich. Ich musste Orte meiden, an denen sich mehrere Menschen tummeln. Ich verfiel regelrecht in einen Zustand, in dem ich nicht genau wusste, ob ich wach war, oder nicht. Wollte ich schlafen, dann konnte ich mich darauf gefasst machen, stundenlang dazuliegen, ohne ein Auge schliessen zu können. Der Ton meines Weckers trieb mich morgendlich fast in den Wahnsinn. Dieses Geräusch fühlte sich an, als würde jemand mit einer kleinen Säge meine Schädeldecke durchbohren. Noch nie in meinem Leben hatte ich etwas Ähnliches erlebt. Als dann nach etwa drei Monaten alles besser zu werden schien, war ich so erleichtert, das ich mir eine Woche lang frei genommen habe, um sie ganz alleine in einem kleinen Ferienhäuschen eines Bekannten zu verbringen. Fernab von Menschen. Ohne Telefon, ohne Fernseher, ohne jemand anderem Bescheid zu geben, wo ich war. Niemandem. Und dennoch blieb eine Art Angst da, dass dieser Zustand nicht vorbei war, sondern, dass ich mich daran gewöhnt hätte. Ich hasste dieses Buch. Ich wollte es nie wieder in die Finger nehmen.“
Nach einer Verschnaufpause fiel ihm auf, dass er gewisse Dinge ausgeblendet hatte, die vielleicht noch von Bedeutung hätten sein können. Erst wollte er noch – nein! Er liess es bleiben. Es war auch so schon kompliziert genug geworden. Hätte er versucht die Geschehnisse in genauen zeitlichen Abfolgen zu rekonstruieren, hätte er nicht nur alle Anwesenden verwirrt; sondern auch sich selbst. Verwirrung war etwas, dass er gerade am allerwenigsten brauchte. Dann fragte die Frau mit dem aussergewöhnlich grauen Haar, wo das Buch nun sei.
„Es liegt vergraben…unweit des Hauses, in dem ich aufgewachsen bin. Ich befand es für sinnvoll, wenn ich es nicht bei mir aufbewahre. Bei mir wurde schon zweimal eingebrochen – vermutlich steht dies in irgendeinem Zusammenhang mit dem Buch. Ich meine, wer macht sich schon die Mühe, sich Zugang in Räume zu verschaffen, sie zu durchwühlen, ohne etwas mitgehen zu lassen, wenn nicht jemand, der es auf etwas Bestimmtes abgesehen hätte? Und etwas bestimmteres als dieses Buch kann ich mir - bei allem was Recht ist – nicht vorstellen. Nicht bei mir.“
Sie hakte nach: „Wo ist dieses Buch? Ich meine, wo ist das Buch genau? Jetzt, in diesem Moment?“ Ihm dämmerte, dass er um den heissen Brei redete. Er wusste gar nicht, weshalb. Vermutlich war es eine alte Angewohnheit. Vielleicht war er auch einfach so, weil er im Grunde seines Wesens so war. Gut möglich, dass er gar nicht vorhatte, dieses Buch jemals wieder auszugraben. Nicht nur desshalb, weil es Dinge auf dieser Welt gab, die nicht auf dieser Welt sein sollten. Weil sie verbrannt, zugemauert, oder unter die Erde gehörten. Er hatte nicht vor, sie zu diesem Buch zu führen. Zu sehr hatte dieses Buch seinen Blick auf die Welt verändert. Mancherorts machte es ihm die Augen auf – andernorts trübte es seinen Blick auf das, was ihm vor einer ihm erscheinenden Ewigkeit als lebenswert erschien. Es raubte die Lebenskraft. Es stahl die Liebe. Es machte den Anschein, als würde es die Fäden an sich reissen und bestimmen, was als nächstes passierte. Die Kontrolle über Bewusstsein und Unterbewusstsein übernahm, so, dass man nicht länger in der Lage zu unterscheiden war, was man tun sollte. Kein Plan, sei er auch noch so kurzfristiger oder banaler Natur gewesen, schien durchführbar. Immer kam etwas dazwischen. Natur als Stichwort holte ihn wieder aus seiner Gedankenwelt schlagartig in den Raum zurück. In der Natur schien die Lösung zu liegen. Jede Lösung. Er fuhr fort: „Im Jahr 2004 war der Höhepunkt erreicht. Ich hatte so schon genug um die Ohren, was mir damals nicht so bewusst war. Es schien, als würde ich die Menschen um mich herum magisch anziehen. Plötzlich kannte ich ein Mehrfaches an Individuen, als davor. Und alle waren so freundlich. So offen. Alle? Nein! Niemand. Sie waren alle so geheimnisvoll und verlogen wie zuvor. Ich sehnte mich danach, Menschen zu finden, die mir ähnlich waren. Ein paar davon schienen allem Anschein nach gar nicht so anders zu sein als ich. Bis auf ihre Gedanken. Inzwischen konnte ich gut zwischen den Ihren und Meinen unterscheiden. Es machte das Leben nicht einfacher. Nicht nur das – alles schien so aussichtslos frustrierend. Wenn man plötzlich Zugang hat zu intimen Regionen eines Menschen, der sich stets unbewusst der Auswirkungen seines Unterbewusstseins war, der nicht nur sich selbst, sondern auch der ganzen Welt etwas vorgaukelte, der meinte, frei zu sein, ohne zu merken, wie gefangen er war von den toten Dingen, die ihn umgaben, der einen guten Freund für eine Handvoll Dollar verkauft hätte…Es war deprimierend. Und schien auch nicht besser zu werden, wenn man darüber redete. Innerhalb von kürzester Zeit schwand meine Hoffnung, überhaupt jemals jemanden zu finden, der hätte verstehen können, wie mühsam solch Gaben wie das Gedankenlesen sein konnten. Und stets diese Schuldgefühle, etwas zu tun, wozu kein Mensch eigentlich eine Befugnis hatte, obwohl es nirgends deklariert war, dass es nicht erlaubt sei. Endlos kehrten kurze Augenblicke der Verbundenheit mit Unbekannten, die wie Stunden, manchmal auch wie Jahre zu sein schienen, selbst wenn sie nur im Vorbeigehen nicht einmal in meine Richtung schielten. Gerade als die Gedanken aufkamen, alles menschliche einfach hinter mir lassen zu wollen, irgendwohin zu gehen, wo ich im Einklang mit der Natur hätte leben können, weil Tiere und Pflanzen ehrlicher zu sein schienen, als die komischen Menschen, da lief mir eine junge Frau über den Weg, die irgendwie…anders war. Sie war weder so wie jemand, den ich kannte, noch so wie ich. In ihrer unbefangenen Art schien sie ehrlicher, als alle anderen Menschen, denen ich tagtäglich gewollt oder ungewollt begegnete. Ihr Herz schien dem jungen Kopf gar keine Wahl zu lassen, wenn es darum ging, zu denken, Entscheidungen zu treffen, zu leben. Sie zeigte mir innerhalb kürzester Zeit, dass es doch nicht aussichtslos sein musste. Es gab sie also, die Menschen, die sich selbst sein konnten. Vor anderen und vor sich. Ohne Lügen. Ohne verstecken. Oft sass ich bis spät in die Nacht wie betrunken da und wünschte mir, ich möge doch mehr so sein, wie sie. Oft führten wir scheinbar belanglose Gespräche, doch aus ihrem Mund schien auch der grösste Schwachsinn seinen Sinn zu haben, denn er schien immer aus der Quelle des reinen Herzens zu kommen. Und sie hatte nie Hintergedanken, so wie anscheinend der Rest der Welt sie hatte.“
Der Mann mit dem schwarzen Haar – mittlerweile hat es sich herausgestellt, dass er Reto hiess – unterbrach ihn beim Reden. Vermutlich spürte er, dass sich der Redner in unwichtigen Geschichten zu verlieren begann: „Sag mal: wer ausser Dir weiss noch, wo sich das Buch befindet?“
„Ausser mir? Niemand. Ich wollte es schon ein paar Mal jemandem erzählen. Es gibt eine genaue Karte, die jedoch nur von mir richtig entziffert werden könnte, weil sich die Wegbeschreibung zweimal in die entgegengesetzte Richtung bewegt. Wann dies innerhalb des dazu geschriebenen Texts passiert, würde jeden, der es versucht, die Stelle zu finden, in die Irre leiten. Ausserdem ist die Tiefe, in die man Graben müsste, nicht so, wie angegeben.“
„Würdest Du uns die Stelle zeigen?“
Diese Frage war äusserst direkt gestellt, was ihm sichtliches Unbehagen bereitete. Er versuchte an nichts zu denken – damit man seine Gedanken nicht lesen konnte. Es ist wie bei einem Buch – wenn keine Zeilen geschrieben stehen, dann fällt auch das Lesen nicht einfach. Er beschloss, die Frage zu ignorieren. Stattdessen fuhr er fort: „Dieses Buch ist gefährlich.“
„Das wissen wir. Es ist nur so, dass dieses Buch sehr wichtig ist. Darin befinden sich einige Passagen aus dem Buch der Bücher – und es wird vermutet, dass es sich dabei um die ursprünglichen Texte handelt, die niemals in einer offiziellen Version erschienen sind – auch nicht übersetzt. Der Vatikan würde alles daran setzen, um dieses Buch in seine Hände zu bekommen. Vorausgesetzt, die wüssten davon. Dieses Buch ist noch viel mehr. Es enthält verschlüsselte Botschaften aus einer Epoche, die lange vor dem biblischen Zeitalter stattfand. Es würde die Irrtümer der Neuzeit in Frage stellen, noch mehr als alles Dagewesene zuvor. Es hat aber auch seine eigenen Regeln. Es darf nicht vor dem 25. Lebensjahr angewandt werden. Und nach dem 30. verliert die Person, die es besitzt, die Kontrolle über die Geschehnisse, die sie in Gang gebracht hat. Dann muss sie jemanden finden, an den sie es verschenken kann. Jemanden, den sie für würdig hält.“
„Aber…das hiesse ja, ich sollte es holen und jemandem schenken?“ Niemals! Ich kenne keinen Menschen, dem ich ein solches Geschenk antun würde.“
„Du darfst den Brauch nicht unterbrechen!“
„Sieh mal:“ –sagte die Frau mit den grauen Haaren, besser bekannt als Melanie – „Du bist nur ein kleines Glied in einer langen Kette. Es ist wie mit den Generationen: Wird die Kette von Eltern zu Kindern auch nur einmal unterbrochen, dann gibt es keine Möglichkeit mehr, die Kette zu reparieren. Ein Stamm wird einfach auf Nimmerwiedersehen verschwinden. Es ist nicht fair, wenn Du dich weigerst, den Brauch überleben zu lassen. Es wäre egoistisch. Dieses Buch ist wichtig für die Menschheit. Es wird eines Tages in der Lage sein, einen Teil der Menschen zu retten. Bis dann fordert es das eine oder andere Opfer. M. war so ein Opfer.“
An dieser Stelle unterbrach er sie: „Woher weisst Du von M.?“
„Wir wissen einiges über den Weg, wie das Buch bei dir gelandet ist. Hunderte von Stunden Arbeit stecken dahinter, die alleine auf das Konto einer Wahrsagerin in Bulgarien gingen, um dich überhaupt zu finden. Weitere Tausend, um die Geschichte dieses Buchs zu rekonstruieren. Die meisten, die mit diesem Buch zu tun hatten, wurden nicht alt. Nicht älter, als du bist. Manche haben damit zu sehr herumexperimentiert. Es wanderte von Hand zu Hand um die halbe Welt. Eine Frau löste damit den ersten Weltkrieg aus, ein Mann war ein guter Freund von Leonardo da Vinci – ein anderer bekam den Friedens-Nobelpreis, bis M`s Schwester es dir schickte. M. war auf einer seiner Reisen in dessen Besitz gekommen. Irgendwo in Australien.“
M. hatte ihm von seiner Reise nach Australien erzählt. Ein eiskalter Schauer durchströmte seine Muskeln, was tief unter seiner Haut wirkte, als hätten ihn tausende spitzer Nadeln direkt an den Nervenenden getroffen. Das war der Moment, als er von Ehrfurcht übermannt wurde. Einer beängstigenden Ehrfurcht. Solch ein Gefühl war ihm gänzlich unbekannt, was die Schweissperlen an seinem Haaransatz untermauerten. Ihm schossen tausend Gedanken durch das Gehirn, welches zum ersten Mal die Zusammenhänge zu begreifen schien, die er zuvor als Ahnungen oder Gefühle abgetan hatte. Er begriff, weshalb er krank geworden war. Sein Unterbewusstsein hatte ihn in der Hand. Hatte er nicht einmal von dieser Krankheit geträumt? Er hatte. Woher hätte er wissen sollen, dass es seine Träume waren, welche ihn und sein Umfeld veränderten. Er wusste nun, was die zwei einander haltende Hände zu bedeuten hatten. Die Hinterseite – mit den Schlangen – konnte er noch nicht klar deuten. Er wusste aber, dass sich auch dieses Rätsel bald lüften würde. Er spürte es.
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Re: Schnee

Beitrag von rägebogehäxli »

i lise dini gschicht, aber nöd jez...



(und das chani mer jez glich nöd verkneife... minute 3:15 bis 3:27 isch nöd sooo off topic /grim )
http://www.youtube.com/watch?v=AAn1Jann ... r_embedded
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Fallen Angel 3
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Re: Schnee

Beitrag von Fallen Angel 3 »

:lol: doch ist es. lies das buch, es lohnt sich ;)
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Re: Schnee

Beitrag von rägebogehäxli »

Fallen Angel 3 hat geschrieben::lol: doch ist es. lies das buch, es lohnt sich ;)
natürli isches das, das isch ja wohl ironie pur xi... /doof und ich wirds läse, aber i wird mer rue und zit defür nä.
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Re: Schnee

Beitrag von Goa_Meitli »

was hältst du von dem vorschlag, dass ich dich von hier entführ'
und dir bei mir zu haus ein kleines zaubertränklein rühr?

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(wobi ich "von hier" durch "heut nacht" wür ersetze...)
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Re: Schnee

Beitrag von u.s.l. »

Goa_Meitli hat geschrieben:was hältst du von dem vorschlag, dass ich dich von hier entführ'
und dir bei mir zu haus ein kleines zaubertränklein rühr?

okkultismus ist sexy... n-smile_fortuneteller.gif

(wobi ich "von hier" durch "heut nacht" wür ersetze...)

sollte ich etwas davon halten :-k
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Re: Schnee

Beitrag von Goa_Meitli »

wieso nämed ihr beide mich so ärnscht? eimal isches zitat, eimal ironie... mitem ärnscht chani sowiso nöd so vil afange (au das nöd ärnscht nä bitte... /bigs )



danke, fischli, für d erzählig.
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Re: Schnee

Beitrag von Fallen Angel 3 »

wa? crazyeye äh. welche beide? :-k und wieso sind wir jetzt auf einmal 5? :?
hilfe! :-D
ok weitermachen 8)
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Re: Schnee

Beitrag von Goa_Meitli »

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(aso mir beide, das isch ja offesichtlich xi, aber...)
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Re: Schnee

Beitrag von Fallen Angel 3 »

aaa-so offensichtlich sollte ich in diesem thread einfach nichts mehr schreien haha :D
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Re: Schnee

Beitrag von Goa_Meitli »

Fohlen Äintschel oder doch Fauler Engel?

verwirrt ihr uns oder tut ihr nur so?
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Re: Schnee

Beitrag von u.s.l. »

Indes wurde ihm nicht nach Rache zumute – nein, dafür wusste er zu gut, das dies nirgends hinführte. Der Lauf der Dinge würde in absehbarer Zeit unumgänglich für Gerechtigkeit sorgen. Das war noch simpler, als das Einmaleinz. So war es vorbestimmt. Die Spirale der Zeit kannte keine Gnade, denn wer sich eines Tages in ihr fand, würde auf ewig darin gefangen bleiben. Somit empfand er zunehmend Genugtuung zum immer schwächer werdenden Gefühl des Unmuts, was ihm neue Zuversicht ins Herz strömte, so stark und klar wie frisches Quellwasser. Es wurde an der Zeit, die Finger vom teuflischen Spiel zu lassen, dem spiel, welches er nur noch mitspielte, um herauszufinden, wie weit sie noch gehen konnten. Selbst der böseste Zauber, sei er auch noch so gut hinter Worten wie Licht und Liebe getarnt, würde nicht ernsthaft gefährden können, was ein kämpfendes Herz gepaart mit Erinnerung an das, wer man wirklich war, ist und bleibt. So war es vorgesehen. So würde es immer sein.

In den Tiefen tummelten sich mittlerweile unzählige kleine Organismen, als eines von ihnen plötzlich – wie aus dem Nichts – ein Organ entwickelte, mit dem es mehr oder weniger in der Lage war selbst zu denken. Zwar waren die Gehirnströme sehr schwach, sodass dieser Schritt mühsam vonstatten ging, sowie eher an Herzimpulse in dem Bereich des Organismus erinnerte, als an ein Bewusstsein. Nun waren die schwimmenden, unidentifizierten Lebewesen einen entscheidenden Schritt in Richtung einer vielfältigen Zukunft näher gekommen. Zuvor vegetierten sie einfach dahin – doch nun hatten sie eine Waffe, welche sie und ihre Nachfahren für eine unvorstellbar lange Zeit unterstützend begleiten würde. Viele ihrer Nachfahren würden zwar aussterben, doch die Chancen, ein Überleben zu sichern, waren fortan um ein Vielfaches gestiegen. Einige kleinere Gruppen entwickelten leuchtend-schimmernde Farben, noch bevor sie wirklich Feinde hatten. Das traurige an ihrem Schicksal schien die nicht zu übersehende Tatsache, dass sie sich eines Tages gegenseitig jagen würden, obwohl sie alle aus der selben Quelle – des selben Ursprungs waren. Somit war Kannibalismus vorprogrammiert. Obwohl…wer sollte es ihnen verübeln? Sie wussten nicht, was sie tun. Und würden es auch nie wirklich herausfinden.

Das Buch lag unangetastet dort, wo es schon eine Zeitlang vergraben lag - nur das die Gegend wieder von wunderschönen, stellenweise fast einen Meter hohen Schneedecke lag. So war es bestimmt. Es war unauffindbar, selbst für die eifrigsten Schatzsucher, die mittlerweile dafür ihr Leben aufs Spiel zu setzen bereit waren. Jedenfalls dem Anschein nach. Noch war weit und breit niemand in Sicht, der als Erbe geeignet war. Aber tief in seiner Brust wuchs die Überzeugung in ihm, dass es bald soweit sein würde. Er spürte es mit jedem einzelnen seiner Bestandteile. Soviel war sicher.

Nun spürte er, dass sie alles gaben. Es war ihnen ernst, was immer deutlicher wurde. Die Angst hatte den schönen Nebeneffekt, sich aufzulösen, sobald ein gewisser grad erreicht war. Manchmal in pures Adrenalin.
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