Alltagsgeschichten / MF Kolumne

[Nichtlustig]

-

[Fallen Angel 3]

„’Dieses elende Miststück, wie dumm kann eigentlich ein einzelner Mensch sein?’, dachte ich mir so nebenbei und verkündete dabei lauthals, wie sehr ich sie doch mochte.“

wahnsinn! geil! der text ist einfach u hüni mega hammer. danke für das - das ist live. wie es sonst selten mal ist.

hihi

[Indigo]

jetzt haste konkurrenz, lieber engel

genialer schreiber, herr Nichtlustig!

bitte heiter weiter ...

[Nichtlustig]

-

[u.s.l.]

ein grossteil hat angst. keine lust. keine zeit. kein interesse. keine ahnung. der rest ist von ausserirdischen entführt worden. oder in andere foren abgewandert. ausgewandert. hat selbstmord begangen. und ich gebe es auch langsam auf. manchmal ist einfach alles geschrieben worden. da muss man jüngeren weichen. mögen sie an unserer stelle die fäden ziehen. bis auch sie abgelöst werden. so ist der lauf des lebens. und das ist gut so.

[Indigo]

BEERENZEIT

*** die himbeere und die Baumwanze ***

die himbeer sprach: "ich dufte süss und schmecke fabelhaft. man kocht mich ein, macht marmelad' und einen guten saft."

die wanze sprach bescheiden: "dann will ich froh mich preisen, dass ich so furchtbar übel riech`, so mag mich niemand speisen.

---

***die blaubeere und die einbeere***s

so sehr ich bitten mag und fleh'n, es bleibt die einbeer' bei mir steh'n. drum merkt euch alle ganz genau: sie kleidet sich wie ich in blau. zum unterschied ein grüner kragen, vierblättrig um den hals getragen.

nur ja nicht essen, da sie giftig und es daher gefährlich wäre! dies schreibt zur warnung aller kinder die sehr besorgte heidelbeere.

---

***die bombeere***

die brombeere ist voller dornen, und kratzt sie, rinnt das blut. doch ihre früchte, die sind süss, und schmecken uns so gut.

auch du kratzt manchmal und bist wild, wie's alle kinder sind. und tust du andern einmal weh, mach's wieder gut geschwind.

---

***die tollkirsche***

die erdbeer' bringt den kindern freud`, die edle rebe bringt den wein, die böse tollkirsch`wollt allein nur voller gift und bosheit sein.

im wald, am hang kann man sie seh'n, ist saftig, schwarz und prall. probiert sie nie, lasst sie nur steh'n, plückt sie auf keinen fall.

---

***die traube***

an der rebe reift die traube, sie reift für gross und klein.

den kindern schmeckt die süsse frucht, den grossen ein glas wein

---

(schon mal was gehört von Ida Bohatta? - das sind ihre zeilen und ich liebe sie ).

[Indigo]

@ u.s.l.: "gröhl", du hesch glaubs de nagel ufem chopf troffe!

[Cherokee]

***die tollkirsche***
probiert sie nie, lasst sie nur steh'n, plückt sie auf keinen fall.

...

***die traube***

und ich sitz hier heut nacht allein und trinke meinen roten wein, denk an die trauben, an uns zwei, und sing ganz leis mein lied dabei


_______________________

Neulich in der s-bahn...

Bin knapp dran, renne die letzten fünfundfünfzig meter, hechte den letzten meter, drücke den knopf... der zug fährt ab. Da stehe ich also, wie bestellt und nicht abgeholt (genau das habe ich auch schon von langgezogengen, dürren, grauen kunstobjekten, die wohl hunde darstellen sollten, gedacht, die vor einiger zeit, inzwischen sind es wohl jahre, im bahnhof stadelhofen rumstanden, was nicht heissen soll, dass ich die figuren dieses künstlers, wenn mit anderen farbigen(!) gestalten zusammen, nicht schön finde). Hab also zeit, zu verschnaufen, während ich auf die nächste s-bahn warte. Ich drehe mich um, möchte mich auf eine bank setzten, aber die sind alle schon besetzt. Da steht einer, der starrt mir auf die füsse. Noch nie füsse gesehen? Bist wohl mit schuhen auf die welt gekommen... dann kommt mein zug, ich steige ein. Es hat nur noch wenige plätze frei und es ist mir lieber, auf die treppe zu sitzen, statt die dame (deren make-up man mit dem spachtel abkratzen könnte) zu fragen, ob ihre tasche auch einen sitz brauche. Und auch die anderen fahrgäste erlebe ich lieber auf distanz. Ich nehme mein buch hervor und fange an zu lesen. Nach einer halben stunde merke ich, dass ich noch immer auf derselben seite bin, weil ich nach spätestens einem satz mit lesen aufgehört habe, abgelenkt vom geschehen in der s-bahn. da hört man musik (der oder die muss wohl schon recht schwerhörig sein, sonst würde er die lautstärke nicht ertragen, ausser es handelt sich gar nicht um kopfhörer, aber das sehe ich nicht, ist ja eigentlich auch egal) und die stimme einer frau, offenbar am telefon, denn niemand antwortet ihr („hey, häsch ghört, d tanja hät schluss gmacht mit ihrem fründ. De isch aber au es arsch xi, hät si voll betroge.“ Pause. „jaaaa, scho, aber das isch anre party xi, da hät si e chli z vil drunke gha und de ander isch wükli geil xi.“). unten an der treppe, im eingangsbereich (oder wie nennt man das bei zügen?) steht ein älterer mann, guckt mich an, schaut weg, als ich zurückgucke. Dann schaut er geradeaus, schüttelt immer wieder fast unmerklich den kopf, schnalzt mit der zunge, runzelt die stirn. Der zug hält, die freundin von tanja und einige andere steigen aus, drei schätzungsweise fünfzehn- bis sechzehnjährige mädchen steigen ein, sitzen ins abteil gerade neben der treppe (ich bin auf meinem treppensitzplatz geblieben, ganz zufrieden damit), schräg gegenüber ein mann mit seiner frau, beide mitte vierzig (sie könnten aber auch älter oder jünger gewesen sein, bin nicht so gut im alter-schätzen). Eines der mädchen (lange, schwarz(gefärbte), glatte haare, pinkes t-shirt („try to kiss me“), pinkes make-up, pinke high-heels (mit glitterkristallen drauf, die so echt wirken wie ihre haare), pinke ohrringe) fragt die mit den langen, blonden, genau so geraden haaren wie die der schwarzhaarigen, den noch längeren, fast so geraden, leicht gebräunten beinen, dem engen rosa top („totally sexy“) und dem unübersehbaren bauchnabelpiercing: „was lauft mit dine männer?“ (endlich etwas an ihnen, das mich an mich selbst erinnert). Sie säufzt: „ich bin schwirig, ich weiss, es lit a mir...“ (hätte doch so gerne erfahren, was mit ihren männern läuft, nicht mit ihr.) die dritte (haare mit einem spray-volumen wie auf den plakaten, keinem pinken oder rosa top, aber einer violetten überdimensionalen halskette mit einem riesigen silbernen herz dran) verteilt die pflichtlektüre, blick am abend. Für eine weile sind die drei still, der mann mitte vierzig oder wie alt auch immer gafft schon zum mindestens neunten mal auf eine stelle zirka fünfzehn zentimeter unterhalb der nase der blondhaarigen, wandert dann runter (hat er ihr gesicht schon bemerkt?), dann wieder zu seiner frau, die ihn anlächelt (hat sie das noch immer nicht bemerkt oder schauspielert sie gut oder ist sie gar nicht seine frau, sondern hält einfach so mit ihm händchen?) Dann die schwierige: „hey, lueged mal, de single vo hüt, er wett d megan fox und d jessica alba" (hab ich das richtig geschrieben?) - "höchi asprüch.“ Dann wird über die jungs in der klasse und der parallelklasse und aus den höheren klassenstufen gequatscht. „hey, er hät mer im fall uf facebook gschribe.“ – „ und? Fintschen süess?“ – „jaaaa, eigetli ischer scho en schuss.“ – „ ja hey, dänn schnappen dir, du chasch alli ha.“ – „hmmm, ich weiss nöd, isch das nöd de, wo schlagzüg spilt?“ (na und? Widerpsricht sich das oder war das sonst ne frage?) der zug hält, die drei (und die beiden mittvierziger) steigen aus.
Neue fahrgäste, unter anderem zwei männer, vielleicht noch nicht ganz dreissig, beide mit ner bierfahne, die den parfümduft der dame mit der handtasche (die noch immer den platz neben ihr besetzt) verblassen lässt. „und du meinsch, du segsch arm dra? Chunsch zu ois mit dine problemlis, woni nur drüber lach. Mir sind doch alli arbetslos, aber du chlönsch ois da voll mit so seich. Bi mir verrecked d kollege, vo de familie läbt au niemer me. mir doch glich, wänn d kontrolleure chömed. Klar langed s gäld ja nöd mal fürs zugbillet. Aber das gat ois doch allne so. beklagsch di drüber, wänns e buess git. I ha ganz andri sorge. Immer de stress mitem sozamt und dänn luege, dassmer zu droge chunt. dass s gäld knapp isch, dademit bisch doch nöd de einzig.“ (darum natürlich feldschlösschen statt prix garantie...) und das alles in einer lautstärke, dass auch allfällige kontrolleure im vorderen wagen hören, dass da zwei sitzen ohne ticket.
Eigentlich hätte ich reagieren sollen, als mit den beiden biertrinkern auch drei wirklich ältere leute in den zug stiegen, durch die abteile wankten und dann auf der anderen seite wieder unten durch zurück. Niemand machte ihnen platz (ich hatte leider keinen, den ich ihnen hätte anbieten können...), aber bis ich mich dazu entschlossen hatte, aufzustehen und jemanden anzusprechen, waren die drei am nächsten bahnhof schon wieder ausgestiegen.
Jetzt steht ein älterer herr dort mit einem baby, das schreit. Ich würde auch schreien, würde man mich irgendwo zwischen waagrecht und senkrecht halten – mit dem kopf nach unten.



Und da will noch jemand behaupten, ich sei freak, nur weil ich barfuss laufe?

[Indigo]

bravo Cherokee .

ja ja die liebe s-bahn, hehe. eine wahre fundgrube für wirklich schräge alltagsgeschichten!

vom rosaroten pudel bis zum betrunkenen kontrolleur erlebt man dort alles mögliche. wenn ich mal "in the right mood" bin, erzähle ich von meinen ultimativen erlebnissen.

*SMILE*

[Cherokee]

danke, indigo.
kurz, nachdem du den thread eröffnet hattest (also in dem moment, als ich dies las), kamen mir tausende geschichten in den sinn (eben, vor allem s-bahn, züri hb,.. aber auch ganz anderes), hab mich dann aber auch dazu entschlossen, auf "the right mood" zu warten . entschuldigt, dass ab und zu ein grossbuchstabe den anfang eines satztes schmückt. hatte den text zuerst in einem word-dokument geschrieben, da passiert das automatisch, ausser man ändert den satzanfang im nachhinein. wollte ihn eigentlich portionenweise posten, weil er mir zu langatmig vorkommt, habs dann aber doch bleibenlassen. beim nächsten "right mood" kommt noch mehr
die idee mit dem buch ist vielleicht gar nicht so abwägig, in einigen jahren wirds einige seiten alltagsgeschichten/mf kolumne geben, wer weiss, was wir daraus machen
die geschichte mit deinen grosseltern hat mich berührt, danke, dass du uns von einem so persönlichen erlebnis erzählt hast.
und die texte von nichtlustig find ich nicht nichtlustig
die drei mädels lasen auch den comic. die eine: "hey, ich chum da gar nöd drus." eine der anderen: "isch ja au nichtlustig."



p.s. das baby tat mir echt so leid... war kurz davor, den herrn darauf anzusprechen, dass es ziemlich mühsam sein muss, ständig den kopf mit muskelkraft nach oben zu halten (es hätte den kopf natürlich auch hängenlassen können, aber... ihr wisst, was ich meine), v. a. wenn man noch einen so dünnen, bestimmt noch nicht allzu kräftigen, hals hat... er hats dann selbst kapiert (vielleicht war es auch einfach zufall oder er selbst war inzwischen müde) und das baby in den kinderwagen gelegt...

[Nichtlustig]

-

[Cherokee]

Yeah, richtigi Pendlerkolumne, geil gschribe, han es paarmal müsse grinse, wills ebe glich viil wahrs dra hät

das han ich erläbt... nöd grad alles währed de gliche zugfahrt, es sind vilich zwei oder drü xi, aber so wit här gholt isches nöd

das thema mit de freiheit... vilich en noie thread wärt (fallses das nöd scho git).

[Indigo]

SCHöNE JUGEND

endlich pause. 'ne zigi rauchend entspanne ich mich auf dem sofa, mit offenem fenster weil mir die räucherstäbliluft von gestern nacht momentan nicht gut bekommt. cd rein. müdigkeit raus.
endlich pause, denkste!

draussen im hof sind auf unserem parkplatz keine auto's parkiert, sondern etwa fünf 10-14-jährige kids am 'rumschreien, in allen erdenklichen sprachen. einer von ihnen sollte zeitungen vertragen, aber er nimmt seine aufgabe nicht richtig wahr, denn er sitzt ganz cool neben seinem "zeitungsaustragewägeli" am boden, seine vier kumpels auch und machen hier auf dem für sie wildfremden parkplatz einen höllenlärm um ca. 12.30 h, ehm mittagspause.

da ich nicht bünzlig sein will, lasse ich sie ziemlich lange gewähren. doch nach etwa 1 stunde habe ich die schnauze voll, weil auch ich ab und zu recht auf meinen frieden habe. ich gehe auf den parkplatz. alle fünf sind mit i-pods in den ohren und natels in den händen ausgerüstet, verstehen kein wort, wenn ich etwas sage, grinsen mich nur blöd an.

"könnt ihr bitte mal eure elektonischen geräte ausschalten und euren hip-hop-sound leiser machen? 50 meter von hier entfernt gibt es einen riesigen sportplatz wo ihr euch austoben könnt wie ihr wollt. wieso alle leute hier mit eurem übertriebenen lärm einfach nur nerven?" gegrinse, dumme sprüche, auf-den-boden-spuckerei und noch einiges verwerfliches mehr war die antwort.

alle machten keinen wank, tranken ihre energy-drinks, witzelten blöde 'rum und glotzten mich ungläubig an. mein blut war bereits fast am gerinnen als ich beschloss, all meine verständnisvolle kraft zusammenzunehmen und dem "zeitungsverträger" sagte: "hey du, liebe boy. marschiered jetzt eifach ab und zwar sofort. wenn't no es velo dezue bruchsch, denn chumm bitte mal id tüfgarage mit mir abe, i schenk's dir".

nicht nur er, sondern alle kumpels begleiteten mich in die tiefgarage um das velo (ein richtig schönes Mondia-supervelo, mind. 700.-- wert) zu begutachten. "ja aber hey, das teil het ja ned e mal e richtigi fäderig und gseht ja völlig altmodisch us. d'farb (violett) gfallt mer grad au ned."

"ja tut mir leid", erwiderte ich. "jetzt aber 'raus mit euch!" packt eure natels, energy drinks, doofen sprüche, velo's und anhänger ein, geht bitte zeitungen verteilen und auf dem sportplatz fussball spielen. ich will jetzt meine ruhe."

ich stellte ihnen eine flasche rivella und kekse hin. "ciao zäme!".

sie "flogen" wortlos von dannen ... .

[Nichtlustig]

-

[Nichtlustig]

-